#Baby // Leben mit Nahrungsmittelallergien – Erfahrungen mit der stationären Provokation bei Allergien

Es gibt das ein Thema, bei dem habe ich lange überlegt, ob ich darüber schreiben möchte. Denn bei all den Dingen, die ich mit Euch teile, gibt es auch manche Themen, von denen ich einfach nicht erzählen möchte. Das sind meist die Themen, in denen es nicht um mich geht. Sondern um uns als Familie oder um den Babyboy. Aber ich habe mir jetzt länger Gedanken gemacht, wie ich Euch von dem Thema erzählen kann, da ich glaube, dass es manch einer Mami, einer Familie oder einem Kind helfen kann. Denn auch wir haben erst von der Möglichkeit erfahren, als der Babyboy schon älter war. Bitte habt Verständnis, dass ich eher allgemein dazu schreibe, als persönlich zu werden, aber ich glaube, es geht auch gar nicht darum, dass ich unsere Story 1:1 erzähle, sondern vom Großen Ganzen.

Und zwar geht’s um das Thema Nahrungsmittelallergien. Jedes Kind kommt oft mit einem Päckchen auf die Welt, bei uns steckten vermutete Nahrungsmittelallergien darin. Lange Zeit wurde daran herumgedoktert  – weshalb ich auch ausschließlich stillen und nicht mit Pre-Milch hinzufüttern durfte. Wir waren bei verschiedenen Medizinern und Naturheilkundlern, um die beste Lösung zu finden. Und haben natürlich 1.000.000 Tipps von Jedermann bekommen.

Und nach 3 1/2 Jahren „firm“ in diesem Thema kann ich sagen, es gibt nicht die EINE Lösung! Jedes Kind ist anders, jede Allergie ist anders, jede Reaktion ist anders. Aber in vielen Gesprächen sieht man, dass eigentlich so gut wie jeder Kontakt zu diesen Allergien hat. Sei es, man ist selbst betroffen, oder betroffen gewesen, denn ja, es gibt auch Unverträglichkeiten und Allergien, die sich mit dem Großwerden verwachsen, seien es Allergien in der Familie oder im Freundeskreis. Und weil keiner seine oder die Allergie seiner Kinder einfach so hinnimmt, hat jeder sicherlich eine Vielzahl an Dingen versucht und ausprobiert oder Spezialisten konsultiert. Das eine hilft mehr, das andere hilft weniger. Wir haben für uns selbst immer das angenommen, was sich plausibel und umsetzbar angehört hat, aber viele Dinge auch einfach gar nicht. Das Kind ist schließlich kein Versuchskaninchen.

Was wir aber stets getan hatten, war all das an Allergenen zu meiden, was man für uns als „potentiell gefährlich“ eingestuft hatte. Was natürlich hieß: doppeltes Kochen, immer eine Alternative in Restaurants dabei zu haben, denn auch, wenn mehr und mehr wirklich gut aufgestellt sind, was Allergene und Co angeht, so sind es viele auch noch nicht oder Auskünfte sind schwammig und wer will schon eine schwammige Auskunft, wenn es um Gesundheit geht? Natürlich hieß es auch, sämtliche Bezugspersonen immer wieder zu instruieren (und ihnen zu vertrauen).

Und wisst ihr was? Wem ich davon erzählt habe, der hat stets gemeint: „Ach Du meine Güte, ihr Armen!“ Für mich tatsächlich gar nicht nachvollziehbar, denn was immer da ist, ist Alltag und weder anstrengend noch „arm“ 🙂 Es ist einfach so, wie es ist.

Das einzige, was es immer braucht war und ist Vertrauen, dass jeder mitzieht und alle genauso verantwortungsvoll im Umgang mit dem Babyboy sind, wie wir Eltern es sind. Und das Thema genauso ernst nehmen.

Unser Weg zur stationären Provokation bei Allergien

Auf der Suche nach Lösungen habe ich 3x unseren Kinderarzt gewechselt, bis ich durch Zufall bei der Urlaubsvertretung einer der Ärztinnen gelandet war. Da bin ich heute noch. Und erst durch sie habe ich von der Möglichkeit der stationären Provokation erfahren. Was das bedeutet? Das Kind ist mehrere Tage im Krankenhaus und wird dort auf die Allergene getestet, die im Blut darauf hinweisen, dass sie Reaktionen auslösen können. Ein WIN-WIN, wie mir später erst bewusst wurde. Dazu gleich mehr.

Wie wird getestet?

Getestet wird tatsächlich durch das Essen der Allergene. Aber nicht einfach so. Der Ablauf ist wie folgt – nicht klinisch 1:1 dokumentiert, sondern aus meinen Erinnerungen aufgeschrieben.

Tag 1

Man wird aufgenommen und es gibt eine Reihe an Voruntersuchungen. Noch einmal ein Bluttest, Gewicht, Größe, Bluttdruck, Puls, Sauerstoffsättigung – dazu wird ein Zugang gelegt. Denn hier geht’s um allergrößte Sicherheit, deshalb wird die Provokation auch nicht deutschlandweit flächendeckend angeboten – nicht alle Kliniken verfügen über all die dafür nötigen Ressourcen. Und den Zugang legt man eben an, um schnellstmöglich mit Notfallmedikamenten reagieren zu können, wenn es bis zum Schock kommen sollte. Auch wird ein komplettes Notfall-Kit am Bett des Kindes deponiert.

Dann bespricht man, welche Allergene gestestet werden. Hier schaut man, welche Allergene auf jeden Fall eine Reaktion hervorrufen werden – sei es, weil sie schon einmal verzehrt worden sind und man die Reaktion schon kennt oder aber, weil der Blutwert einfach schon so hoch ist, dass eine Reaktion auftreten wird. Diese Allergene schließt man vom Test aus, denn wenn eine Reaktion sowieso vorprogrammiert ist, dann heißt es weiterhin, diese Allergene zu meiden. Aber dennoch werden sie im Abschlussgespräch nicht vernachlässigt.

Vielmehr geht es um die bislang gemiedenen Allergene, von denen man nicht zu 100% weiß, ob das Kind sie nicht doch verträgt, oder eben doch nicht.

Ich hatte abends sehr viel Zeit im Krankenhaus, mich in das Thema einzulesen – mit zwei Kleinkindern auf dem Zimmern macht man früh das Licht aus und liest nur noch online. So kann man zum Beispiel gegen Ei allergisch sein, aber das heisst nicht, das man sämtliche Produkte mit Ei meiden muss. Eines der Allergene im Ei wird nämlich bei über 180C zerstört, heisst, man kann auf beide Allergene testen und hat im besten Fall schon ein Stück Lebensqualität gewonnen, weil man nur auf rohes Ei reagiert, man aber künftig Kuchen, Nudeln mit Ei (aus dem Trockenregal) & Co essen kann. Oder aber, wie uns im Zimmer der Fall, man muss auf Milch, Gluten, Soja und Ei verzichten – eine wirklich schwierige Kombi. Da Gluten schon über das Blut als hoch allergisch identifiziert wurde, wurde im nächsten Schritt auf Soja gestestet. Soja? Ja, denn in vielen glutenfreien Produkten kann Soja vorkommen. Die Freigabe von Soja – wie auch erfolgt- war also ein riesen Zugewinn für das einführen von glutenfreier Kost.

Tag 2

Nun hat man soviele Allergene „frei“, wie man Tage stationär bleibt. Ein Tag, ein Allergen.

Ab dem Schlafengehen dürfen die Kids nichts mehr essen, damit sie am nächsten Tag Hunger haben. Dann folgt eine Voruntersuchung, Puls, der Zugang wird gestestet, Blutdruck, Sauerstoffsättiung… und dann geht’s los. Immer im Abstand einer halben Stunde bekommen die Kids ihr Allergen. Erst als Spur, bis zur großen Portion. Bei gebackenem Ei (über 180C) ist das zum Beispiel zuerst ein Krümel Muffin… bis es am Schluss zwei Muffins sind. Bei Nüssen Spuren von Nüsse bis zum Beispiel bei der Erdnuss hinterher Erdnussflips, bei Soja war es Ende eine richtige Trinkportion oder ein Becher Sojajoghurt, bei Milch dann eben richtige Milch… das kann man sich glaube ich gut vorstellen. Die Provokationen werden von einer Schwester betreut. die darauf spezialisiert ist, die Speisen werden eigens für die Kinder zubereitet, es ist immer eine Ärztin auf der Station, der Oberarzt immer vor Ort. Alle halbe Stunde werden die Kids kontrolliert, bevor es weitergeht, bei der kleinsten Veränderung wird sofort untersucht. Und mit ein bisschen Glück, ist man bei Portion 7 ohne Reaktion angekommen. Bis zum Nachmittag darf die Station dann auch nicht verlassen werden.

Provokation Allergie

Tag 3

Verläuft wie Tag 2…

Die nächsten Tage…

Hier wird weiterhin getestet, je nachdem wieviele Allergene gestestet werden.

Der letzte Tag

Am letzten Tag gibt es nochmal die sogenannte kumulative Gabe. Das heisst, die Allergene, die man zukünftig essen darf, werden nochmal alltagsüblich gegeben. Zwei Muffins, ein Becher Soja-Joghurt, eine große Flasche Milch, Nutella-Brot (Haselnüsse…)… und dann heisst es erneut: Daumen drücken, denn 10% der Kinder reagieren erst dann & schwups ist das dazugewonnene Nahrungsmittel wieder futsch.

Abschlussgespräch

Am Ende folgt dann das Abschlussgespräch mit den Ärzten. Hier wird der aktuelle Status besprochen, vielleicht wird ein Notfallset erstellt. Vor allen Dingen dann, wenn es um Allergene geht, von denen man weiß, dass das Kind reagiert oder aber Allergene, die sich beim Test als kritsch herausgestellt haben. Wo das Kind vielleicht bei Stufe 4 schon mit Schwellungen, Atemnot.. reagiert hat. Jedes Kind bekommt einen individuellen Notfallplan. Auch wird gesprochen, welche Allergene man in einem Jahr nochmal testen sollte, weil sie sich mit Glück noch verwachsen können. Für uns Eltern all der Kids, die dort waren, ein Zugewinn! Denn wie schon gesagt, man kann nur Gewinnen: an Gewissheit, dass man das, was man tut, schon so richtig getan hat und man dabei bleibt und man nun noch besser gewappnet ist oder aber, dass man Dinge, die man gemieden hat, endlich  nicht mehr meiden muss!

Und wisst ihr was, wir Bonner müssen keine weite Anreise auf uns nehmen und fernab von der Familie die Zeit im Krankenhaus verbringen, denn das Marienhospital in Bonn führt diese Provokationen durch! Jedoch mit langer Wartezeit… Und wir haben uns super aufgehoben gefühlt! Zusammen habe ich mir die Zeit mit dem Liebsten soweit wie möglich aufgeteilt, so dass jeder Mal beim Babyboy ist und hatte dazu Glück eine tolle Zimmernachbarin zu haben! Denn sonst kann die Zeit schon lang und langweilig werden. Außerdem duscht es sich Zuhause doch am Besten 😉

Provokation Allergie

Ich würde mich freuen, wenn ich hier vielleicht dem ein oder anderen Kind einen wertvollen Tipp geben konnte. Und würde mich natürlich freuen, ihr erzählt mir davon. Wie schon gesagt, dies ist eine persönliche Zusammenstellung meiner Gedanken, keine klinische Abhandlung und ich hoffe, ich habe mich überall noch richtig dran erinnert (Schwangerschaftsdemenz… ihr wisst schon ;))

 

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7 Comments

  1. says: Steffi Bardon

    Ja, ich kenne das gut. Mein Sohn ist sehr allergisch auf Erdnuss 🥜. Und ich kann das gut nachvollziehen mit dem ihr armen und den vertrauen. Ich weiß noch wie unruhig ich immer war bei kindergeburtstagen, inzwischen ist er 11, wir hatten im letzten Jahr im Urlaub auch einen Aufenthalt im emergency room. Und er muss nun selber aufpasssen. Das marienhospital bietet für ältere Kinder dann auch eine Eltern Kind Schulung. Die haben wir vor 3 Monaten gemacht. Auch das war super…. ich hoffe bei euch wächst sich noch was aus. Lt. Blut ist mein Kind auch auf mehr allergisch, reagieren tut er auf Erdnuss und wahrscheinlich peka Nuss. Kennst du bioresonanz. Da war ich auch mit ihm.
    Was man nicht alles tut.

  2. says: Ivi

    Ohne speziell oder zu persönlich zu werden. Wie kommt man denn bei einem Baby im ersten Schritt darauf, dass Allergien da sind? Wird aus Routine das Blut einmal danach untersucht oder muss man das einfordern weil man zb in der Familie vorbelastet ist?

  3. says: Ina Apple

    Hey! Vielen, vielen lieben Dank für deinen ausführlichen Artikel! Meine kleine Babymaus ist – laut Bluttest – auf Ei, Milch und Weizen mittel-stark allergisch. Seit dem Ergebnis habe natürlich ich als stillende Mama und jetzt auch das Baby mit ihrer eigenen Nahrung kein Lebensmittel konsumiert, das Ei, Milch oder Weizen enthält. Das ist mitunter gar nicht so einfach – die Kombination ist nämlich echt fies. Langsam testen wir uns an Weizen heran und sie darf ab und an kleine Mengen probieren (z.B. eine Mini Stückchen Breze) um die Reaktion zu beobachten. Glücklicherweise äußert sich die Allergie „nur“ als stark juckendes Ekzem, aber trotzdem hoffe ich für meine Kleine, dass sich die Allergie irgendwann „auflöst“. Laut unserem Kinderarzt passiert das ja bei einem Großteil aller Säuglingsallergien. Wir hoffen auf jeden Fall und ich koche und backe mittlerweile viel „vegan mit Fleisch oder Fisch“ und nutze auch viele glutenfreie Mehl bzw. Teigwaren Alternativen.
    Die Sache mit dem Kliniktest wusste ich allerdings nicht. Ich bin mir sicher, dass es diese Möglichkeit bei uns im Raum München auch geben würde. Gerade die Sache mit dem Ei – ob nur das rohe Ei oder auch das verarbeitete Ei gemieden werden muss – wäre wirklich hervorragend zu wissen! Das würde – wie du schon sagst – den Speiseplan dann doch wieder um einiges erweitern. Ich werde mich auf jeden Fall mal umschauen und auch mit unserem Kinderarzt darüber sprechen.
    Ich hoffe, dass bei euch die Allergie mittlerweile leichter geworden ist oder evtl. ja schon ganz verschwunden? Ich würde das allen Allergiker-Kids wünschen!
    Viele liebe Grüße, Ina

  4. says: Privatverlag

    Ein toller Beitrag, Danke dafür. Ich habe diesen auf Facebook geteilt und massig Likes bekommen :
    ).
    Das Wissen zu Gesundheit ist zu vielfältig, als dass es ausschließlich eine Form gibt.

  5. says: Rudi Sterzer

    Vielen Dank für deinen Beitrag, ich konnte einiges lernen. Ich fange gerade auch an, mich mit dem Thema Allergien bei Kindern zu beschäftigen, da es bei uns bald auch so weit ist. Schonmal gut zu wissen, dass es nicht die EINE Lösung gibt.

  6. says: Anita Kafe

    Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Allergie. Gut zu wissen, dass Babys bereits starke allergische Reaktionen haben können. Ich habe meinem Baby direkt eine Anti-Allergie Decke besorgt, damit ich damit kaum Probleme haben werde.

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